Einführung
Die hier vorgestellte Studie präsentiert eine wissenschaftliche Erhebung des Fachgebietes Innovationsmanagement, in der das Nutzungs- und Annahmeverhalten von KI-basierten Systemen (KIBSen) in der Produktion untersucht wurde. Dieses Thema ist für Wissenschaft und Praxis gleichermaßen von Relevanz, da das Erfolgspotential von KIBSen in starker Abhängigkeit zu dem Annahmeverhalten der Nutzenden steht. So kann aktuellen Studien zufolge beispielsweise eine Ablehnung von KIBSen nicht nur zu Fehlgebrauch, Missbrauch oder einer Nichtnutzung führen (Burton et al., 2020), sondern ebenso zu minderwertigen Entscheidungen (Berger et al., 2020), die negative betriebswirtschaftliche Folgen nach sich ziehen können.
Die Studie besteht aus zwei Teilen: (1) Einer Umfrage, in der das aktuelle Nutzungs- und Annahmeverhalten von KIBSen identifiziert wurde und (2) einem szenario-basierten Experiment, in der der Einfluss des menschlichen Erscheinungsbildes (Anthropomorphismus) eines KIBS auf die Annahmebereitschaft der Nutzenden untersucht wurde. Insgesamt haben 167 Mitarbeitende deutscher Produktionsunternehmen teilgenommen.
Im folgenden werden die Kernergebnisse der Studie unterteilt in Arbeitsgruppen präsentiert, nämlich Produktionsleitung, Abteilungs- und Schichtleitung, Beschäftigte ohne Leitungsfunktion.
Hier können Sie sich den gesamten Studienbericht herunterladen. Gerne bieten wir Ihnen bei Interesse ein (Online-) Seminar an, in welchem die Kernergebnisse präsentiert werden und auf fallspezifische Fragen eingegangen wird.
Kernergebnisse der Umfrage
Aktuelle Nutzung von KIBsen
- Aktuelle regelmäßige Nutzung liegt bei 27 Prozent
- Aktuelle mäßige Nutzung liegt bei 23 Prozent
- Aktuelle Nichtnutzung liegt bei 50 Prozent
Abbildung 1: Aktuelle Nutzung von KIBsen
Die Nutzung nimmt mit hierarchischem Status zu
- 44 % der Beschäftigten ohne Leitungsfunktion verwenden mäßig/ regelmäßig KIBSe
- 61 % der Abteilungs- & Schichtleitung verwendet mäßig/ regelmäßig KIBSe
- 64 % der Produktionsleitung verwendet mäßig / regelmäßig KIBSe, vor allem, um Zeit zu sparen
Abbildung 2: Aktuelle Nutzung von KIBSen nach Tätigkeitsbereich
Wichtigkeiten am Arbeitsplatz
- Mehrheitlich hohe Lernbegierde bei allen Arbeitsgruppen
- Routiniertes Arbeit ist allein Beschäftigten ohne Leitungsfunktion wichtig
- Spaß bei der Arbeit, ein sicherer Arbeitsplatz und das Arbeiten für ein innovatives Unternehmen allen Arbeitsgruppen wichtig
Abbildung 3: Wichtigkeiten am Arbeitsplatz
Zufriedenheit über die Beschaffenheit am Arbeitsplatz
- Abteilungs- und Schichtleitung sind tendenziell am zufriedensten mit der Ausstattung der Maschinenfuhrparks und dem Anwenden der Maschinen
- Produktionsleitung ist am meisten davon überzeugt besser arbeiten zu können, wenn die Maschinen optimiert werden
Abbildung 4: Zufriedenheit über die Beschaffenheit am Arbeitsplatz
Wahrnehmung von innerbetrieblichen Veränderungen Vertrauen in die Kompetenz der Organisation
- Abwehr gegenüber betrieblichen Veränderungen ist in allen Arbeitsgruppen tendenziell gering
- Produktionsleitung wehrt sich am ehesten gegen innerbetriebliche Veränderungen
Abbildung 5: Abwehrhaltung gegenüber betrieblichen Veränderungen
Vertrauen in die Kompetenz der Organisation
- Das Vertrauen in die Kompetenz der Organisation ist tendenziell zurückhaltend
- Ein Misstrauen ist nicht zu erkennen
Abbildung 6: Vertrauen in die Kompetenz der Organisation
Einstellungsverhalten gegenüber KIBsen allgemein
- Beschäftigte ohne Leitungsfunktion sind am wenigsten davon überzeugt, dass KIBSe mehr Vor- als Nachteile hat
- Beschäftigte in der Produktionsleitung sind eher davon überzeugt, dass KIBSe allgemein gesprochen das Leben erleichtert
Abbildung 7: Meinungsbild gegenüber KIBSe
Angst von Maschinen beherrscht zu werden
- Beschäftigte ohne Leitungsfunktion haben vermehrt Angst von Maschinen beherrscht zu werden
Abbildung 8: Einschätzung gegenüber KIBSe
Annahmeverhalten von KIBSen
- Keine erkennbar starke Abneigung ggü. KIBSe
- Produktionsleitung bevorzugt am meisten menschliche ggü. KI-basierter Ratschläge
Abbildung 9: Annahmeverhalten von KIBsen
Gefühle bei Einführung von KIBSen
- In allen Arbeitsgruppen mehrheitlich wenig erkennbar negative Gefühle bei der Einführung von KIBS
- Vor allem Angestellte mit Leitungsfunktion prognostizieren tendenziell eine Steigerung der Arbeitszufriedenheit
Abbildung 10: Gefühle bei Einführung von KIBsen
Kernergebnisse des szenario-basierten Experiments
- Einfluss des menschlichen Erscheinungsbilds des KIBS (unabhängige Variable) auf die Annahmebereitschaft des Systems (abhängige Variable)
- Es liegt kein signifikanter Unterschied vor zwischen dem Erscheinungsbild und der Annahmebereitschaft der Nutzenden
- Eine Roboter-KI in Form eines kollaborativen Roboters verfügt über eine höhere Annahmebereitschaft als virtielle KI in Form eines Chatbots und einer integrierten KI, die in einer Maschine eingebaut und nicht sichtbar ist
Abbildung 11: Annahmebereitschaft KIBSe.
Zusammenfassung der Kernergebnisse
Auch wenn in Anlehnung an die Studienergebnisse die Hälfte der Beschäftigten in der Produktion keine KIBSen am Arbeitsplatz verwendet, liegt nur eine geringe Abwehrhaltung gegenüber innerbetrieblichen Veränderungen vor und eine mehrheitliche Überzeugung, dass KIBSe viele Vorteile haben. Zudem arbeiten viele der Befragten gerne für innovative Unternehmen und weisen ein hohes Maß an Lernbegierde auf. Folglich kann davon ausgegangen werden, dass tendenziell eine Wertschätzung gegenüber KIBSen vorliegt und Beschäftigte in der Produktion gegenüber der Einführung und Verwendung von KIBSen am Arbeitsplatz vorwiegend offen sind. Diese Annahme wird ebenso durch die neutrale bis positive Gefühlslage bestätigt, die mit der Einführung von KIBSen einhergeht. Anhand der Studie ist zu erkennen, dass sich Beschäftigte in der Produktion weder erkennbar ängstlich noch minderwertig oder gar nutzlos hinsichtlich der Einführung von KIBSen fühlen. Vielmehr gaben einige der Studienteilnehmenden an, dass die Einführung von KIBSen mit einer Steigerung der Arbeitszufriedenheit einhergehe. Auch wenn die Diskussion und die mediale Aufmerksamkeit über mögliche Jobverluste durch die Einführung von KIBSen sehr präsent ist und vor allem Deutsche sich um ihren Arbeitsplatz sorgen (Boston Consulting Group, 2024), so scheint diese Befürchtung unter den Beschäftigten in der Produktion wenig verbreitet zu sein.
Dennoch wird nicht jedes KIBSe von Nutzenden gleichermaßen akzeptiert. Zudem nehmen Beschäftigte in Produktionsunternehmen KIBSe anders wahr. Es ist wichtig, das KI-Nutzungs- und Annahmeverhalten der Beschäftigten in der Produktion im eigenen Unternehmen bei der Gestaltung und Einführung von KIBSen zu berücksichtigen. Um das Erfolgspotenzial der Technologie ausschöpfen zu können und die Wertschöpfung im eigenen Unternehmen zu optimieren, gilt es, die Innovations- und Geschäftsstrategie ganzheitlich auszurichten; in dem Sinne, dass sich diese nicht nur auf eine wirtschaftliche Optimierung der Wertschöpfung fokussiert, sondern sich gleichermaßen oder gar vermehrt an der Optimierung der menschlichen Wertschöpfung ausrichtet. Management Take-Aways und Handlungsempfehlungen werden kommende Woche in einem weiteren Blogbeitrag erläutert.
Bleiben Sie dran!
Quellen
Berger, Benedikt; Adam, Martin; Rühr, Alexander; Benlian, Alexander (2021): Watch Me Improve—Algorithm Aversion and Demonstrating the Ability to Learn. In: Business & Information Systems Engineering 63 (1), S. 55–68. DOI: 10.1007/s12599-020-00678-5.
Burton, Jason W.; Stein, Mari‐Klara; Jensen, Tina Blegind (2020): A systematic review of algorithm aversion in augmented decision making. In: Journal of Behavioral Decision Making 33 (2), S. 220–239. DOI: 10.1002/bdm.2155.
Lindenberger, S. (2024): Deutsche fürchten mehr als alle anderen, dass KI ihre Jobs wegnimmt. Boston Constulting Group, verfügbar unter: https://www.msn.com/de-de/finanzen/top-stories/ki-studie-der-boston-consulting-group-vor-allem-deutsche-f%C3%BCrchten-dass-ki-ihre-jobs-wegnimmt/ar-BB1oUXLf?item=module_ad_enabled%3Afalse (Abgerufen am, 19.11.2024).
Verfasst von: M.A. Felipa Carrara