Das Spritzgießverfahren ist darauf ausgelegt, kontinuierlich Bauteile in hohen Stückzahlen herzustellen. Die dabei zum Temperieren und Betreiben der Anlage eingesetzte Energie sowie die entstehende Menge an Ausschussmaterial sind kritische Faktoren bei der Bewertung der Wirtschaftlichkeit des Verfahrens. Unter Betrachtung hoher Energiepreise sowie europaweiter Abkommen zu Klimaneutralität und zum Etablieren einer Kreislaufwirtschaft, rücken diese Faktoren weiter in den Fokus der Unternehmen. KI-Methoden können dazu genutzt werden, die Qualität der hergestellten Bauteile zu überwachen, die Menge an fehlerhaften Bauteilen zu reduzieren und dabei den Energieeinsatz zu optimieren. Das Fachgebiet Kunststofftechnik der TU Ilmenau hat dazu einen Demonstrator entwickelt, mit dem sich ein Produkt-Prozess-Qualitätsregelkreis darstellen lässt. Dieser Qualitätsregelkreis arbeitet auf Basis der Korrelationen zwischen den Prozessparametern und der erreichten Bauteilqualität sowie dem dafür benötigten Energieeinsatz.
Das Integrieren von KI-Methoden zur Optimierung von Herstellungsprozessen setzt ein fundiertes Prozessverständnis voraus. Speziell für den Spritzgießprozess bedeutet das ein Verständnis für die Entstehungsmechanismen von Fehlstellen spritzgegossener Bauteile und den Einfluss der Prozessparameter auf die Ausprägung dieser Fehlstellen entwickeln zu müssen. Unter Zuhilfenahme statistischer Versuchsplanung werden zum einen kritische Prozessparameter identifiziert und zum anderen die Einflüsse variierender Prozessparameter auf die Qualitätsmerkmale der Bauteile quantifiziert. Wichtig sind hier die Auswahl eines geeigneten Versuchsdesigns sowie die korrekte Auswertung dieses Designs. Auf Basis von Vorversuchen zur Festlegung sinnvoller Prozessfenster werden nun umfassende Versuchsreihen erstellt. Innerhalb dieser Versuchsreihen werden die kritischen Prozessparameter auf mehreren Stufen variiert, mit den Veränderungen der Ausgangsgrößen korreliert und Kriterien für Bauteile mit hinreichenden Qualitätsmerkmalen definiert. Diese Versuchsreihen bilden die datentechnische Grundlage für das zu etablierende KI-System.
Zur Bewertung der Qualität der hergestellten Bauteile werden verschiedene Sensoren in die Spritzgießanlage integriert. Dazu gehören eine Lichtbildkamera, eine Infrarotkamera und eine Wägezelle. Dadurch lassen sich Bauteilfehler wie Vakuolen oder unvollständige Formfüllungen detektieren, während durch das Verwenden mehrerer Messinstrumente sichergestellt wird, dass keine Fehlstellen unbemerkt bleiben. Ziel ist es, dass das KI-System die Fehler eigenständig erkennt und eine Handlungsempfehlung ermittelt. Der erste Schritt, um ein trainiertes KI-Modell zu erstellen, ist die Klassifizierung der erzeugten Bauteile in i.O-Bauteile (in Ordnung) und n.i.O-Bauteile (nicht in Ordnung). Dies erfolgt durch das Erkennen von Fehlstellen und den Abgleich mit den hinreichenden Qualitätsmerkmalen. Nach der Klassifizierung als n.i.O-Bauteil erfolgt das Clustering. Da beim Spritzgießen verschiedene Fehlstellen mit unterschiedlichen Entstehungsmechanismen auftreten können, müssen die Fehlstellen anhand konkreter Fehlerarten kategorisiert werden. Neben der Fehlerart ist die Ausprägung der Fehlstelle entscheidend für die auszugebende Handlungsempfehlung. Die Klassifizierung der Bauteile und das Clustering der Fehlstellen erfolgt iterativ und ermöglicht mittels einer Regression ein genaues und verlässliches KI-Modell zu trainieren.
Beitrag von: M. Sc. Maximilian Lang